Nach der sogenannten Reemtsma-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann ein Leistungsempfänger die Erstattung einer rechtsgrundlos an den Leistenden gezahlten Umsatzsteuer direkt vom Fiskus verlangen. Das Bundesfinanzministerium greift in einem aktuellen Schreiben dieses EuGH-Urteil aus dem Jahr 2007 sowie weitere Urteile des Bundesfinanzhofs aus den Jahren 2015 und 2019 auf und nimmt insbesondere zu den Voraussetzungen für den Direktanspruch bei der Umsatzsteuer Stellung.
Über den Direktanspruch entscheidet das für die Umsatzsteuerfestsetzung des Leistungsempfängers zuständige Finanzamt im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens. Zu beachten ist, dass der Leistungsempfänger seinen Anspruch auf Erstattung der gezahlten Umsatzsteuer zunächst zivilrechtlich gegenüber dem Leistenden geltend machen muss. Solange eine Inanspruchnahme des Fiskus durch den Leistenden aufgrund einer Berichtigung des Steuerbetrags rechtlich möglich ist, kann nicht über den Direktanspruch entschieden werden.
Zudem ist ein Direktanspruch gegenüber dem Fiskus ausgeschlossen, wenn der Anspruch gegenüber dem Leistenden zivilrechtlich bereits verjährt ist. Darüber hinaus muss der Leistungsempfänger nachweisen, dass der zivilrechtliche Anspruch gegenüber dem Leistenden noch immer besteht und es unmöglich ist, die Erstattung der gezahlten Umsatzsteuer vom Leistenden zu erhalten.
Hinweis: Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass wurde in diesem Zusammenhang angepasst.
Vorsteuerabzug eines Gesellschafters
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat zum Vorsteuerabzug eines Gesellschafters im Zusammenhang mit Investitionsumsätzen Stellung genommen. Es bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Vorsteuerabzug bei Übertragungsvorgängen auf Gesellschaften. Der Umsatzsteuer- Anwendungserlass wurde entsprechend angepasst.
Leistet ein Gesellschafter bzw. eine Vorgründungsgesellschaft bezogene Leistungen im Rahmen eines eigenen umsatzsteuerlichen Unternehmens an die Gesellschaft weiter, so richtet sich der Vorsteuerabzug aus den bezogenen Leistungen nach den allgemeinen Grundsätzen. Unter Berücksichtigung der EuGH- und BFH-Rechtsprechung kann einem Gesellschafter unter den übrigen Voraussetzungen der Vorsteuerabzug auch aus einer bezogenen Leistung zustehen, die der Gesellschaft später außerhalb eines Leistungsaustauschs zuwächst (z.B. Weiterleistung durch einen ansonsten nicht unternehmerisch tätigen Gesellschafter). Voraussetzung dafür ist, dass es sich aus Sicht der (geplanten) Gesellschaft um einen Investitionsumsatz handelt und die beabsichtigte Tätigkeit der Gesellschaft einen Vorsteuerabzug nicht ausschließt.
Der Begriff Investitionsumsatz umfasst dabei Vermögenswerte (bezogene Lieferungen oder sonstige Leistungen), die der Gesellschafter tatsächlich an die Gesellschaft überträgt und die von dieser für ihre wirtschaftliche Tätigkeit genutzt werden.
Hinweis: Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Vertraglich auf den Mieter umgelegte Grundsteuer gehört zum Gewerbeertrag
Bei der Berechnung der Gewerbesteuer muss der steuerliche Gewinn des Gewerbetriebs zunächst um verschiedene gewerbesteuerliche Hinzurechnungen erhöht und um gewerbesteuerliche Kürzungen vermindert werden, damit sich der Gewerbeertrag ergibt. Dieser ist die maßgebliche Rechengröße für die weitere Gewerbesteuerermittlung. Hinzuzurechnen ist beispielsweise ein Teil der Miet- und Pachtzinsen, die ein Gewerbetreibender für die Benutzung von fremden unbeweglichen Wirtschaftsgütern (z.B. Firmengebäuden) zahlt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jetzt entschieden, dass auch die Grundsteuer, die vertraglich auf den Mieter oder Pächter eines Gewerbegrundstücks umgelegt wird, zur Miete gehört und deshalb gewerbesteuerrechtlich hinzuzurechnen ist. Im Urteilsfall hatte die klagende GmbH von ihren Gesellschaftern ein Betriebsgebäude angemietet. Im Mietvertrag war vereinbart, dass die GmbH als Mieterin die Grundsteuer tragen sollte. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die auf die GmbH vertraglich umgelegte Grundsteuer zu der von ihr zu zahlenden Miete gehöre und deshalb gewerbesteuerrechtlich hinzuzurechnen sei. Das Finanzgericht sah dies anders und gab der Klage statt.
Der BFH gab nun jedoch dem Finanzamt recht und erklärte, dass der vom Gesetz verwendete Begriff der Miet- und Pachtzinsen wirtschaftlich zu verstehen sei. Zu Miet- und Pachtzinsen gehörten auch vom Mieter getragene Aufwendungen, die – wie im vorliegenden Fall – nach dem gesetzestypischen Lastenverteilungssystem eigentlich vom Vermieter zu tragen wären, aber vertraglich vom Mieter übernommen würden. Schuldner der Grundsteuer war im vorliegenden Fall der Eigentümer, also der Vermieter. Zivilrechtlich konnte er die Grundsteuer jedoch auf den Mieter abwälzen, so dass diese in den Mietzins einfloss, der gewerbesteuerrechtlich hinzuzurechnen war.
Hinweis: Die Hinzurechnung kann also nicht dadurch reduziert werden, dass der Mieter bestimmte Aufwendungen übernimmt, die eigentlich vom Vermieter zu tragen wären und Letzterer im Gegenzug einen entsprechend geminderten Mietzins akzeptiert. Bereits im Jahr 2018 hat der BFH entschieden, dass auch mieterseitig übernommene Instandhaltungsaufwendungen in der Regel als Miet- und Pachtzinsen hinzugerechnet werden müssen.